Vor 10 Jahren hatte ich die Gelegenheit an der Probe des Stücks „Eh Joe“ von Samuel Beckett im Theater Marl beizuwohnen. Sir Michael Gambon, vor allem weltweit bekannt geworden durch seine Harry Potter Darstellung des Dumbledore, befand sich alleine auf der Bühne. Eine Kamera war auf sein Gesicht gerichtet und projizierte diese Aufnahme überlebensgroß auf einen halbdurchlässigen Stoff, der vor der Bühne aufgespannt war. Er selbst sagte kein einziges Wort, sondern reagiert nur auf die Frauenstimme, die aus dem Off kam. Sie erinnerte an Menschen, die ihn geliebt und Selbstmord begangen hatten, an die Toten, deren Stimmen verstummt waren. Am Ende sprach auch sie nicht mehr und er blieb allein zurück.
Es war sehr beeindruckend, jede kleinste Gefühlsregung Michael Gambons sehen zu können. Durch die Kamerafahrt, die sein Gesicht immer größer werden ließ, wurde eine Spannung und Dramatik erzeugt, der man sich nicht entziehen konnte.
Nach der Probe warteten die anwesenden Pressevertreter im Foyer des Theaters, um ein Interview zu führen. Dann erschien Michael Gambon mit seinem Pressesprecher. Dieser übernahm den Großteil des Interviews und er erläuterte, dass das Stück für den Schauspieler mental äußerst anstrengend sei. Man sah ihm seine Erschöpfung auch deutlich an. Nach 10 Minuten hatten die anwesenden Fotografen ihr Bild gemacht und verschwanden wieder. Ich schrieb und fotografierte zu der Zeit für "Hallo Recklinghausen", einem Online Nachrichtenportal und stand nicht unter Zeitdruck.
Ich wollte in meinem Bild seine unglaubliche Stärke und Ausstrahlung zeigen, trotz seiner großen Erschöpfung. Irgendwann bemerkte er, dass ich als einziger Fotograf noch anwesend war, schaute zu mir und stützte einen Kopf in seine Hand und schaute mich eine ganze Weile an. Ich konnte mein Bild in aller Ruhe machen und als ich es dann hatte, bedankte ich mich mit einem Kopfnicken bei ihm.
Am 27. September 2023 starb Michael Gambon im Alter von 82 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung. Doch noch immer erinnere mich gerne an den Moment, an dem wir in diesen stillen Dialog getreten waren.